Will Deutschland nicht mehr arbeiten?

Die Zeiten, in denen Arbeit eine zentrale Rolle im eigenen Leben spielte, scheinen vorüber. Die Wirtschaft und die Politik klagen: Die Deutschen haben scheinbar immer weniger Lust zu arbeiten und die Produktivität stagniert. Ist die Arbeit also noch das, was uns erfüllt?

Arbeitsstunden im freien Fall

Laut Statistischem Bundesamt machten im Jahr 2023 immerhin 12 Prozent von 39 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland Überstunden. Also doch Arbeitsmoral statt Arbeitsfrust? Doch diese Zahlen sagen nicht viel aus, wenn man sie nicht im Kontext betrachtet. Denn die Zahl der geleisteten Überstunden ist deutlich gesunken, genauso wie die gesamten Arbeitsstunden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat herausgefunden: Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 war die Arbeitszeit noch nie so niedrig. 2023 waren es durchschnittlich 1272,09 jährliche Arbeitsstunden, im Jahr 1991 noch fast 200 Stunden mehr. Und während Arbeitnehmer 1991 im Schnitt noch 46,3 bezahlte Überstunden leisteten, waren es 2023 nur noch 13,2 Stunden.

Betrachten wir die Situation auf EU-Ebene, käme Deutschland in einem Wettbewerb der geringsten Arbeitszeit sogar aufs Siegertreppchen: Laut Eurostat lag die Arbeitszeit im EU-Schnitt bei 36,9 Stunden, in Deutschland bei 34,4. Nur die Dänen und die Niederländer arbeiten noch weniger.

Teilzeit statt Vollgas: Familie und Krankheit bremsen aus

Einer der Hauptgründe für die drastisch gesunkene Arbeitszeit ist die hohe Teilzeitquote. Laut Statistischem Bundesamt arbeiteten im Jahr 2023 31 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Grund hierfür dürfte vor allem sein, dass es gerade für Frauen schwierig ist, den Familienalltag mit einem Vollzeitjob zu managen.

Aber es gibt noch einen Grund für die geringen Arbeitszeiten: Der Rekord-Krankenstand. Seit das IAB 1991 begann, Zahlen dazu zu erheben, waren die deutschen Arbeitnehmer noch nie so lange krankgeschrieben: durchschnittlich 15,2 Tage im vergangenen Jahr. Die meisten Beschäftigten blieben ihrem Arbeitsplatz wegen der klassischen Erkältung und Atemwegsinfekten fern. Aber: Auch vermehrt aufkommende psychische Leiden lassen die Anzahl der Fehltage in die Höhe schießen. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH ergab, dass 43 Prozent der Befragten sich in ihrem Beruf hohem Druck und Belastungen ausgesetzt fühlen. Und das vor allem, weil die Erwartungen an die eigene Person so hoch sind. Das kann auf Dauer natürlich nicht gut gehen.  

Der neue Arbeitnehmer-Traum: Die Viertagewoche

Anderen wiederum ist ihr Beruf nicht so wichtig, dass sie sich dafür von Stress plagen ließen. Laut einer Studie von Gallup fühlt sich ein Fünftel der Beschäftigten emotional nicht mit ihrem Beruf verbunden. Da verwundert es nicht, dass viele Arbeitnehmer mit Teilzeit liebäugeln: In einer Umfrage der Versicherung HDI aus dem Jahr 2022 gaben ganze 48 Prozent an, dass sie in Teilzeit wechseln würden, wenn das möglich wäre.

Auch attraktiv: Die Viertagewoche. Die wünschen sich nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung 81 Prozent der Beschäftigten – für 73 Prozent müsste der Lohn aber gleich bleiben.

Viertagewoche, Teilzeit – ist das mal wieder die „Jugend von heute“, die nicht arbeiten möchte? Mitnichten. Denn der Wunsch nach weniger Arbeitszeit ist generationenübergreifend, wie Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen. Wenig überraschend: Je schlechter Beschäftigte bezahlt werden, desto weniger möchten sie arbeiten.

Müssen wir Arbeit neu denken?

Während Wirtschaft und Politik klagen, fragen sich die Arbeitnehmer, ob sich die Arbeit angesichts Stress, Druck, und Lohn in diesem zeitlichen Ausmaß überhaupt noch lohnt. Wer sich nicht mit seinem Beruf identifiziert und am Arbeitsplatz keine Erfüllung findet, möchte damit weniger Zeit verbringen – kommt für die verringerte Arbeitszeit fast der gleiche Lohn, scheint das der Idealzustand für viele Arbeitnehmende zu sein. Im Moment gehen die Interessen von Unternehmen und Arbeitnehmern also deutlich auseinander.

Es gilt, neue Wege zu finden, um Motivation und Bindung an den Arbeitsplatz wiederherzustellen – vielleicht aber auch darum, Arbeit und Leben in ein neues Gleichgewicht zu bringen.  

Ein Lösungsansatz könnte z.B. bei neueingestellten Mitarbeitern im Vorfeld eine Potentialdiagnose sein, um frühzeitig deren Interessen, Werte und Potentiale zu erkennen und diese berücksichtigen zu können. Bei bestehenden Mitarbeitern könnte man ebenfalls über Diagnostik-Tools oder/und regelmäßige Mitarbeitergespräche, Teams-Events und Motivationssysteme eine stärkende Bindung und Identifikation zum Arbeitsplatz generieren. HILL International steht Ihnen gerne bei der Entwicklung und Umsetzung von modernen Lösungsansätzen für Ihr Unternehmen zur Seite.

 

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